Das Bad der Zukunft

Dr. Joël Luc Cachelin ist ein Zeitreisender und einer der führenden digitalen Vordenker der Schweiz. Der Gründer der Wissensfabrik begleitet und berät Unternehmen in Zukunftsfragen und bearbeitet wechselnde Themen – interdisziplinär, multimedial und unabhängig. Seine Bücher sind Gedankenspiele zu aktuellen Fragen, wie zum Beispiel zu Innovation und Pseudo-Innovation, zur digitalen Zukunft oder zum Verhältnis von Mensch und Maschine. Wir haben ihn zur Zukunft des Bads befragt.


Erhält das Bad auch in Zukunft den gleichen Raum in Wohnkonzepten?

Möglicherweise gewinnt es sogar noch an Bedeutung. Das hängt mit der Dichte und der hohen Taktung unseres Alltags zusammen. Viele verbringen den ganzen Tag in Sitzungen. In den Pausen beschäftigen sie sich mit ihrem Smartphone. Das Bad hingegen eröffnet Raum für Reflexion. Hier beginnen und beschliessen wir unseren Tag. Beim Zähneputzen oder Duschen planen wir unseren Tag oder blicken auf ihn zurück. Wir wählen ein Motto, eine Haltung oder einen Gedanken mit dem wir ihn beginnen oder beschliessen können. Damit das Bad ein Ort des Nachdenkens sein kann, spielen die Lichtführung und die Materialien eine wichtige Rolle.

Viele verbringen den ganzen Tag in Sitzungen. In den Pausen beschäftigen sie sich mit ihrem Smartphone. Das Bad hingegen eröffnet Raum für Reflexion. Hier beginnen und beschliessen wir unseren Tag. 

Welche Rolle wird das Bad der Zukunft übernehmen?

Das Bad bleibt ein Ort der Hygiene. Wir reinigen uns und befreien uns – besonders jetzt in Zeiten der Pandemie – von Viren und Bakterien. Die Reinigung hat zudem eine emotionale und reflexive Qualität. In der Sprache der Computer könnte man von einer Defragmentierung sprechen. Wir schaffen Platz für neue Erlebnisse, neue Bekanntschaften und neue Gedanken. Dazu kommt eine dritte Funktion. Ich denke das Bad der Zukunft ist auch eine Art vorgelagerte Arztpraxis. Diese Rolle wächst mit der Anzahl der telemedizinischen Angebote.

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Wird die Digitalisierung das Bad der Zukunft verändern?

Ja, das gilt im Besonderen für die angesprochenen telemedizinischen Angebote. Wir können uns etwa intelligente Toiletten oder Spiegel vorstellen, die unsere Gesundheit überprüfen. Sie analysieren unsere Körperflüssigkeiten oder unsere Augen, als Biomarker unseres physischen und physischen Zustands. Die Untersuchungen helfen, unsere individuelle Gesundheit zu schützen. Sie dienen aber auch als Alarmsystem für die Gesellschaft, etwa um die Entwicklung von Pandemien quasi in Echtzeit zu erforschen. Sie könnten weiter vor Antibiotika-Resistenzen warnen oder Symptome von Einsamkeit erkennen, die manche Experten inzwischen ebenfalls als Pandemie einordnen. Darüber hinaus könnten sie in der Lichttherapie helfen – etwa gegen Viren, Müdigkeit oder bei Hautveränderungen.

Wie wird das Thema Nachhaltigkeit auf die Gestaltung des Bads einwirken?

Verschiedene technische Hilfsmittel werden in Zukunft helfen, Energie und Wasser zu sparen. Eine ganz andere Dimension der Nachhaltigkeit bieten die verbauten Materialien. Statt Beton kommen Holz oder recycelte Baustoffe, wie PET oder getrocknete Fruchtschalen zum Einsatz. Die daraus gefertigten Elemente werden gesteckt und nicht mehr vermischt oder verklebt. Materialbibliotheken erfassen jedes einzelne Bauteil. So ist es möglich, sie gezielt zu suchen und erneut zu verwenden. Beides ist entscheidend aus der Perspektive der Kreislaufwirtschaft. Auch wird es in Zukunft vermehrt Menschen geben, die ein veganes Bad fordern. Also ein Bad, indem keinerlei tierische Stoffe verbaut werden.

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Hält sich der Wellnesstrend auch im Bad der Zukunft?

Auf jeden Fall. Der Besuch im Bad ist häufig eine Pause. Wir sollten deshalb gut überlegen, wie sinnvoll es ist, das Bad digital aufzuladen. Auch unsere Gewohnheit, auf der Toilette die Social Media Streams oder unseren Kontostand bei der Kryptobörse zu überprüfen, sehe ich aus dieser Perspektive kritisch. Das Bad der Zukunft müsste eine Offline-Oase sein. Ein Ort, an dem wir nicht erreichbar sind, und wir etwas Zeit für uns selbst haben. 2050 wird es 70 Prozent mehr Rentnerinnen und Rentner geben. Deshalb gilt es Wellness aber auch vermehrt aus deren Perspektive zu denken. Gefragt ist zum Beispiel Barrierefreiheit. Nachhaltig bauen könnte also heissen, die Bedürfnisse des Alters zu antizipieren – damit man weniger umziehen und umbauen muss.